In den letzten Wochen hatte ich die Chance, mich mit zahlreichen unterschiedlichen Fachleuten in DACH, Nordamerika und Südostasien zum Thema Vertrieb und Marketing auszutauschen. Die Erkenntnisse waren äußerst aufschlussreich und spiegeln global die bereits bekannten und immer selben Herausforderungen der letzten 2 Jahre wider. Zum Teil etwas anders ausgelegt, aber über alle Sprach- und Landesgrenzen bekannt. Nordamerika ist uns weiterhin darin einen Schritt voraus, wie Customer Experience heutzutage aussehen kann und wie man mit den neuen Generationen an “Shoppern“ umgehen sollte. Speziell in Europa versteht man zwischenzeitlich zwar die übergreifenden Zusammenhänge, vermisst hierzulande erfolgserprobte Best Practice Ansätze aber noch gänzlich.
Durch das recherchieren aktueller Themen, Painpoints und Use-Cases kam ich mit kompetenten Fachpersonen, vermehrt aus C-Level aus unterschiedlichsten Bereichen und Branchen in Kontakt. Das Thema hat auf allen Stufen breiten Anklang gefunden. Darunter multi-nationale Unternehmen aus den Bereichen Manufacturing, Telekom, Retail und Fashion. Startups, Boutique- sowie international aufgestellte Beratungshäuser, renommierte Digital-, Marketing- und Werbeagenturen sowie verschieden große und sehr große Softwarehersteller.
Die ganze Welt fordert mittlerweile individuelle, auf den User zugeschnittene User- und/oder Customer Experiences. Die Customer Experience Ära beeinflusst unser aller Leben – online und offline. Im Umkehrschluss kämpfen alle Unternehmen kurzgesagt entsprechend mit genau diesen Herausforderungen, welche die veränderten Customer- / Buying Journeys mit sich bringen.
Ungeachtet, in welcher Branche das Unternehmen tätig oder wie das Unternehmen aufgestellt und organisiert ist, ob international oder regional ausgerichtet oder welcher Zielmarkt bearbeitet werden soll. Fakt ist: Potenzielle Kunden können sich heute besser als je zuvor zu Produkten, Dienstleistungen und Lösungen selbst informieren. Und JA – 80 % der Buying Journeys sind bereits abgeschlossen, wenn ein Kunde anruft. Die Zeiten, als Vertriebler wenig informierte Interessenten durch ihr Wissen für sich und ihr Produkt gewinnen konnten, sind ein für alle Mal vorbei. Leads treten heute mit dem Verkäufer, dem Distributor oder dem Hersteller nur noch in Kontakt, um ein Angebot oder einen Preis anzufragen. Und das ist vielen heutzutage bereits zu mühsam. „Gibt es nicht bald eine Service-Plattform, inklusive eines Konfigurators, über den ich meine dedizierten Preise selber abholen kann?“
Und JA – 80 % der Buying Journeys sind bereits abgeschlossen, wenn ein Kunde anruft.
An diesem Punkt nicken alle ausnahmslos! Head of Sales, Head of Marketing, Geschäftsführer oder Kollegen beim Kaffee. Natürlich sei das so! Darum müsse man auch – speziell online – omnipräsent sein und sich möglichst ausgeklügelte, crossmediale Kampagnen ausdenken. Und leider endet an diesem Punkt dann der Gedankengang.
Im Grundsatz nicht falsch, denke ich mir und frage:
„OK, wie genau geht euer Vertrieb und/oder Marketing denn mit dieser Herausforderung um? Hat sich eure Vertriebs- und Marketing Organisation bereits auf diese neuen Herausforderungen neu ausgerichtet?“.
Spätestens an diesem Punkt scheiden sich die Geister und die Frage wird entweder kurz und knapp mit „Na klar!“ abgetan, oder es wird weit ausschweifend mit wagen Erklärungen ausgeholt.
Doch es gibt wie immer Ausnahmen. Mit meiner Story und meinen Slides im Gepäck durfte ich in den letzten Wochen zwei Mal erleben, wie mir mein Gegenüber einen klaren Plan inklusive der zugehörigen Prozesse, klar definierte Aufgaben, KPIs, SLAs zwischen Marketing und Vertrieb, Lead Scoring Modellen sowie Lead Nurturing Kampagnen vorgestellt hat und das auf einem auf Sales- & Marketing dediziert ausgerichteten Funnelkonzept. Und all das auch noch auf die Kaufentscheidungsphasen der Lead Klassen ausgerichtet. Chapeau!
Im ersten Fall gehört die besagte Digitalagentur zu den zwischenzeitlich renommiertesten in DACH und verzeichnete über das letzte halbe Jahrzehnt jährlich zweistellige Wachstumsraten – organisch gewachsen versteht sich. Die Pipeline ist voll. Der Vertrieb läuft auf Hochtouren und das Unternehmen ist mehr als gut positioniert. Eine klare Vorreiter Rolle in diesem Bereich.
Im zweiten Fall handelt es sich um einen multinationalen Marktführer im Bereich Sanitäranlagen! Wer hätte das gedacht?! Neben einem lückenlosem, mehrstufigen, international aufgestellten Vertriebs- und Marketing Modell, befasst man sich dort darüber hinaus zurzeit mit eigenen Machine Learning Logarithmen und hat in den letzten 3 Monaten vier KI-Spezialisten eingestellt, um eigene Chatbots zu kreieren, welche die rund 6k Kunden Anfragen pro Tag bereits besser als der Telefonsupport und dazu noch individueller managen können. Wow! Aus dem initial einstündig geplanten Gespräch wurde ein über drei Stunden interaktiver Workshop.
Wir sind uns alle darin einig, dass sich die Customer Experience Use Cases und deren Lösungen sich stetig verändern. Viele Unternehmen sehen sich zwar mit diesen Herausforderungen konfrontiert, unternehmen aus unterschiedlichsten Gründen jedoch nicht die erforderlichen Maßnahmen. Die vom Management vorgegebenen Zielvorgaben steigen Jahr für Jahr. Es werden weitere Vertriebsmitarbeiter eingestellt und geschult. Semi-kombinierte Marketing-Aktivitäten werden geplant, es werden Messen organisiert und Whitepaper geschrieben. Jährlich werden weiterhin Millionen von Euro für neue Marketing Maßnahmen ausgegeben. Die Intentionen sind gut, diese Investitionen wären jedoch weitaus ertragreicher, wenn im Vorfeld Klarheit darüber bestehen würde, welche Maßnahmen wichtig sind und was die Bedürfnisse der Kunden befriedigt, sodass man zielgerichtet auf diese hinarbeiten kann.
Wie geht man nun mit den veränderten Customer Journeys heute erfolgreich um und welche strategische Rolle spielt das in den Schulen vermittelte Wissen zum Thema Marketing überhaupt noch?
Positiv-Beispiele beweisen: Durch die aktuellen Herausforderungen muss das Marketing heute viel strategischer -konzeptionell und operativ- den Lead in der Marktbearbeitung übernehmen und weitgehend alle Vertriebs- und Marketingprozesse gesamtheitlich verantworten. Und nein, – hier darf man dieses Vorgehen aus meiner Sicht nicht weiter in Frage stellen. „Adapt or die“.
Das alte Marketing- und Sales-Playbook ist überholt und das klassische Cold Calling bring heute nicht mehr die bekannten Erfolge. Ferner werden durch DSGVO und weitere externe Faktoren die Outbound-Aktivitäten noch weiter erschwert. Tendenziell verlängern sich die Vertriebs-Zyklen zunehmend und die Verlässlichkeit der Abschlüsse geht weiter zurück.
Durch die Vernetzung von CRM hat das Aufgabenspektrum des Marketings in den letzten Jahren zwar einerseits an Komplexität zugenommen, andererseits haben Sales- & Marketing Automatisierung den Aufwand für das Bearbeiten von Leads aber auch reduziert.
Es braucht das radikale Umdenken in den Köpfen der Verantwortlichen, um die Vertriebs- und Marketing Organisation sowie die Unternehmensprozesse so auszurichten und miteinander zu vernetzen, dass alle Vertriebs- und Marketingmaßnahmen ein gemeinsames Ziel haben: Nachhaltigen Umsatz. Das heißt, dass es weiterhin unerlässlich ist, die unterschiedlichen Datensilos zwingend zusammenzuführen, zu synchronisieren und auf die Kunden – respektive auf seine relevanten Bedürfnisse – auszurichten.
Wenn man sich typische Marktbearbeitungsprozesse ansieht, stellt man fest, dass Marketingaktivitäten immer typischen Vertriebsaktivitäten vorlaufen. Organisiert in einem gemeinsamen Sales & Marketing Funnel ergibt sich Folgendes: Marketing geht heute in den Lead und legt vor, Vertrieb übernimmt und holt rein. Das heißt, Marketing übernimmt die Lead- und Demand Generation und wechselt als treibende Kraft in die Führungsposition.
Generell können und müssen in Zukunft noch zahlreiche, weitere Prozesse automatisiert werden. Bei der Vernetzung von Vertriebs- und Marketingkampagnen im CRM gibt es heutzutage in vielen Unternehmen noch Optimierungsbedarf.
Mehr denn je sind ganze Buyingcenters in Entscheidungsprozessen beteiligt und beeinflussen sich gegenseitig. Entsprechend kommt man an einem zielgruppenorientierten Content-Marketing und Storytelling nicht vorbei.
Heutzutage kann man mittel- bis langfristig alle am Kaufprozess beteiligten Zielgruppen begeistern. Dabei sollte man vor allem auf kontextbasierte, crossmediale Formate setzen, die nicht nur die linke, rationale Gehirnhälfte, sondern vor allem auch die rechte, emotionale Hirnhälfte ansprechen.
Auch wenn sich das Marketing immer neu erfinden und sich auf die Kunden ausrichten muss und auch wenn weiterhin nahezu täglich neue digitale Kanäle hinzukommen, bedeutet das nicht, dass die alten Regeln des Marketings komplett hinfällig sind. Egal, ob wir von „Integrated-Marketing“, 360 Grad-Marketing oder „holistischem“ Marketing sprechen. Im Zentrum aller Aktivitäten sollte immer die Frage stehen: Gelingt es mir, ein bestimmtes, relevantes Kundenbedürfnis zu befriedigen und den Kunden auch emotional an die Marke oder Dienstleistung zu binden. Extrem wichtig hierbei ist auch die Kontinuität der Botschaften über alle Kanäle und Touchpoints hinweg – egal ob Vertriebs- oder Marketingkontakt oder ob analoger oder digitaler Kanal.
Dieses angestrebte „Sales & Marketing Alignment“, inklusive dem Thema “Content Marketing“ sollte heutzutage von einer Person verantwortet werden, welche zwischen dem „Head of Sales“ und dem „Head of Marketing agiert“ – nämlich in der Rolle des “Head of Demand Generation“. Diese Position ist in den USA bereits in erfolgreichen Organisationen zu finden. Dort verantwortet der “Head of Demand Generation“ den gemeinsamen Funnel und managed die Prozesse und Übergaben zwischen Marketing und Vertrieb. Er grenzt seinen Bereich vom klassischen Corporate Marketing, wie Branding, CI/CD, Public Relations, Investor Relations, etc. ab und kümmert sich primär um “Wir investieren X, konvertieren damit Y und generieren damit Z“.
Wo stehen Sie? Wurde die Position bereits geschaffen?
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